Motortuning ja! Aber wie?

Motortuning ja! Aber wie?
(Den Spi / Spinnaker trimmen)


Dr. Harald Wozniewski
Karlsruhe 1998

Vorbemerkung
Der Segelschnitt des Spinnakers Exkurs: Schlechte Spinnaker
Die Trimminstrumente des Spinnakers Die Kontrollinstrumente des Spinnakers
Motortuning raumschots und vorm Wind Motortuning bei halbem Wind

Vorbemerkung

Nach vielen Jahren ist es im Dezember 2006 soweit: Ich habe es endlich geschafft, auch mal das Motortuning für den Spinnaker zu beschreiben. Ich habe mich so lange davor gedrückt, weil das richtige (!) Motortuning des Spis am schwierigsten zu erklären ist.

Zunächst möchte ich wieder auf die Grundlagen des Motortuning verweisen.

Hier möchte ich dann zeigen, wie diese Grundlagen für den Spi zu bewerkstelligen sind.

Wie schon bei den anderen Segeln möchte ich zwei verschiedene Begriffe verwenden. In den Grundlagen hatten wir uns für den Winkel zwischen Wind und dem ersten Stück Segeltuch am Vorliek interessiert. Diesen Winkel möchte ich Windanstellwinkel nennen. Im Folgenden wird aber auch vom Winkel zwischen Vorliek und Mittschiffslinie die Rede sein. Diesen Winkel möchte ich Segelanstellwinkel nennen.

Der Segelschnitt des Spinnakers

Zunächst sollte man sich über den Segelschnitt des eingesetzten Spi im Klaren sein. Es gibt von Segelmacher zu Segelmacher, aber auch von Jahr zu Jahr beim selben Segelmacher geringfügige Unterschiede beim Schnitt des Segels.

Die wichtigste Eigenart eines Spis ist der durch den Schnitt der einzelnen Segelbahnen erzeugte Bauch.  In den folgenden Skizzen sehen Sie einen sehr primitiven Spi, der aus nur zwei Bahnen zugeschnitten ist.

Skizze 1

Skizze 2

(Lassen Sie sich nicht durch die grünen Flächen irritieren. Diese Flächen müssten wir noch abschneiden.)

Ich möchte an diesem primitiven Spi das Dilemma eines jeden Spinnakers erklären. Wie Sie in den Grundlagen des Motortuning gelesen haben, sollte jede Windebene beim Segeln durch ein gleichmäßig rundes Segelprofil gehen. Für den untere Teil unseres Spinnakers hier, haben wir das gewährleistet:

Skizze 3

(Wie gesagt: die grünen Flächen gehören nicht dazu.)

Auch der obere Teil unseres Spis hier ist eine kreisrund gebogene Fläche. Aber diese Fläche ist (hier) um 45° nach hinten geneigt, so dass der Wind oben und unten eigentlich aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommen müsste (blaue Pfeile).

Skizze 4

Wird ein Spi aus vielen Bahnen zusammengebaut, kann zwar erreicht werden, dass an jeder Stelle des Vorlieks der Windanstellwinkel stimmt. Im weiteren Verlauf der Windströmung gibt aber kaum noch kreisrunde Bahnen. Zudem wird der Wind auf der Leeseite von der Seite wie von oben zu einem zentralen Punkt gelenkt und stößt da zusammen.

An dem Spi auf dem Foto hier links kann erahnen, dass der Windanstellwinkel an jeder Stelle des Vorlieks, also in jeder Höhe,  in Ordnung ist. Im Top des Spis zieht der Wind leeseitig wie über ein gekrümmtes Dach - wie über eine Tragfläche eines Flugzeugs.

Ob der Spi aus horizontalen Bahnen oder als Einfach- oder Tri- Radial zusammengebaut ist, ist bei alledem ziemlich egal.

Exkurs: Schlechte Spinnaker

Bei einem Spinnaker gibt es mit Blick auf seine Regattatauglichkeit eigentlich nur zwei Kriterien (m. a. W. alles andere ist unwichtig):

  • Der Spi ist weit entfernt von einer runden Form (In den 1960er Jahren war mal die “Pofalte” “inn”; ein Irrweg). Manche Spis sind im mittleren Bereich deutlich flacher als zu den Lieken hin (Skizze 5, Schnitt Nr. 2 rote Linie). Das sind keine guten Spis.
  • Eine Krankheit von Spinnakern sind die “Ohren” (Skizze 5, Schnitt Nr. 3 rote Lieken). Die Liekbänder sind (meines Wissens durch zu viel Hitze [Boot mit Persenning eingepackt in praller Sonne und der Spi ist da drin]) geschrumpft. Dadurch spannen sie mehr als das eigentliche Spinnakertuch, was zu diesem Einkrallen führt.
    Ich habe auch schon mal das Leid eines Segelfreundes miterlebt, der von einem der bekanntesten Segelmacher einen nagelneues Spi geliefert bekam, bei dem die Liekbänder einfach zu eng genäht waren, so dass die Lieken krallten. Sogar mit zwei Mal nachbessern hatte North den Spi nicht in Ordnung gebracht. Ein Mitarbeiter von denen wolle uns schließlich erzählen, dass der Spi erst noch “eingefahren” werden müsste. So einen Blödsinn hatte ich in 35 Jahren Seglerleben noch nicht gehört.

Skizze 5

 

Dieser sicher etwas ältere Kandidat hier ist - in horizontalen Ebenen gesehen - recht ungleichmäßig rund. Und er hat einrollende Liekbänder (Ohren).

Als Folge dieser Ohren muss der Spi dichter als eigentlich nötig gefahren werden - damit das Vorliek nicht einfällt. Durch das dichtere Fahren geht die Kraft des Windes mehr zur Seite, weshalb das Boot unnötig stark krängt.

 

 

 

 

 

Auch bei diesem wohl recht neuen Tuch krallen Vor-  und (kaum zu erkennen) Achterliek. Schade um das schöne Tuch!

 

 

 

 

 

 

 

Die Trimminstrumente des Spinnackers

  • Die wichtigsten Instrumente sind natürlich die Schoten links und rechts (also der Achterholer am Spibaum und die Leeschot).
  • Manche Boote haben Barberholer (Barberhauler), mit denen sich die Schothörner nach unten und / oder nach innen ziehen lassen.
  • Fast jedes Boot hat auch den Topnant, um die Höhe des Spibaums (besser: um die Höhe des betreffenden Schothorns vom Spi) zu verstellen. Der Topnant ist oft mit einem Baumniederholer kombiniert. (Im Folgenden spreche ich nur noch vom Topnant.)
  • Bei manchen Booten lässt sich der Anschlagpunkt des Spibaums am Mast der Höhe nach verstellen, was allenfalls dafür interessant ist, die horizontale Länge (Reichweite) des Spibaums zu verändern.
  • Ein Trick: Sie können die Leeschot auch über dem Großbaum fahren und dadurch den Zug der Schot nach unten verringern.

Die Kontrollinstrumente des Spinnackers

  • Das Vorliek (in jeder Höhe): fällt es ein, zeigt es zu uns, dass wir mit dem Anstellwinkel bei Null angekommen oder sogar darüber hinaus gekommen sind.
  • Wollfäden sind wie bei den anderen Segeln möglich. Aber meist ist die Krümmung des Segels viel zu stark, als dass der Wind dieser in Lee lange unverwirbelt folgen könnte. Die Fäden haben also nicht viel Erkenntniswert.
  • Der Spi insgesamt oder zumindest der Teil, der vorm Wind von Groß und Fock verdeckt sein könnte, liefert in bestimmten Situationen ebenfalls wichtige Informationen.

Motortuning raumschots und vor dem Wind

Spibaum und Achterholer

Der Spibaum, den wir mit dem Achterholer ziehen können, hat bekanntlich die Aufgabe, den Spi möglichst weit von Groß und Fock wegzuhalten. Aber was heißt das genau? Wie wir aus den Grundlagen des Motortuning wissen, kommt es für unseren Motor immer zuerst auf das Geschehen am Vorliek an. Beim Spi vor dem Wind ist das auch immer das Liek, an dem der Wind ins Segel einfallen soll, also das, bei dem wir den Spibaum anschlagen. Möglichst weit weg von Fock und Groß heißt: Das Vorliek soll - aus Richtung des einfallenden Windes gesehen! - möglichst weit weit von den anderen Segeln gehalten werden. Das ist dann der Fall, wenn der Spibaum im rechten Winkel zum relativen (!) Wind steht. Den Tipp, den man manchmal zu lesen oder zu hören bekommt, man solle den Spibaum etwas vorlicher als im rechten Winkel stellen, können Sie ruhig vergessen. Als Erklärung hört man ab und zu, dass dadurch bei viel Wind der Spi mehr steigen und er dadurch das Boot anheben würde. Glauben Sie mir: Bootsrumpf und Wasser sind viel besser geeignet, das Boot anzuheben, als Spinnaker und Wind. Lassen Sie den Motor nach vorne ziehen, und nicht nach oben!

Da mit einer Veränderung des Achterholers (dicht nehmen oder fieren) sehr massiv in die gesamte Luftströmung um den Spi herum eingegriffen wird, sollten Sie den Achterholer immer nur sehr behutsam verstellen.

Über die Segler, die mit dem Spi pumpen, möchte ich hier nicht reden.
Das Video hier ist trotzdem ganz hübsch anzusehen:
Quelle: http://www.470.fr/Videotheque.php

Ein Tipp: Wenn wir bei mittlerem bis starkem Wind im oberen mittlerem Bereich des Spis ein wellenartiges Zittern oder “Schwächeln” des Spituchs bemerken, dann wird der Spi zu sehr vom Großsegel abgedeckt. Wir können dann den Achterholer dichter nehmen und / oder mit dem Boot mehr anluven.

Und noch ein Tipp: Das gleiche Schwächeln durch die Abdeckung vom Groß gibt es natürlich auch bei wenig Wind. Dann sehen wir aber den Spinnaker insgesamt zusammenfallen. Anfänger beim Spisegeln haben oft Schwierigkeiten dieses Schwächeln vom “Einfallen” des Spis zu unterscheiden. Sie nehmen dann die Leeschot dichter und tun damit genau das Gegenteil von dem, was eigentlich nötig ist. Sie ziehen den Spi noch weiter hinter das Groß anstatt ihn mit dem Achterholer aus der Abdeckung des Groß herauszuziehen. Also: Gerade bei wenig Wind muss man genau unterscheiden, ob der Spi am Vorliek einfällt oder ob er insgesamt zusammenfällt!

Die Spischot (Leeschot)

Wie bei den anderen Segeln ist es uns am Wichtigsten, dass der Windanstellwinkel in jeder Höhe des Vorlieks stimmt (Grundlagen des Motortuning). Mit der Schot fieren wir so weit auf bis das Vorliek beginnt einzufallen. Dass es dabei ein paar Zentimeter einfällt, ist kaum zu verhindern. Dann eben wieder etwas dicht nehmen und erneut fieren. Bei kleineren Booten (und Spinnakern) wird der betreffende Schotmann optimaler Weise die Leeschot ständig auffieren und wieder dicht nehmen, so, als würde er Baumstämme zersägen. Bei großen Yachten (und Spinnakern), wo das zu kraftraubend wäre, bleibt sie Leeschot belegt und der Steuermann kann diesen Job übernehmen: Er muss eben ständig leicht anluven und abfallen, so dass das Vorliek des Spis immer knapp am einfallen ist.

So wenig und vorsichtig wir den Achterholer bewegen (siehe oben), so viel arbeiten wir also mit der Leeschot: Immer sägen!

Ein Trick: Wenn wir einmal zu sehr geschlafen haben (hier im rechten Foto) und der Spi sehr weit eingefallen ist (rund 30 cm weit), dann können wir ihn ganz schnell wieder richtig stellen, indem wir sehr stark und schnell an der Leeschot ziehen. Wenn wir schnell genug ziehen, dann springt das eingefallene Tuch wieder zurecht, so, als würde es um eine Säule herumgezogen werden. Tatsächlich befindet sich dort hinter dem eingefallenen Tuch ja auch eine Säule aus Luft. Ziehen wir dagegen zu langsam an der Schot, kommt dieser Effekt nicht zustande, und es braucht recht lange, bis der Spi wieder richtig steht.

Und ein Tipp: Da wir nun das Liek immer kurz vor dem Einfallen fahren, können wir auch leicht sehen, aus welcher Richtung der relative Wind kommt. Daher haben wir es recht leicht, - wie oben verlangt - den Spibaum im rechten Winkel zum relativen Wind zu fahren! Einen Verklicker brauchen wir gar nicht mehr.

Wer nach dem Gesagten Achterholer und Spischot gut beherrscht, kann sich der nächsten Kunst des Spisegelns zuwenden:

Die Höhe des Spinnakerhalses (= des Spibaums, = des Topnants)

In Skizze 1 (oben) haben wir gesehen, dass das Vorliek der unteren Segelbahn in jeder Höhe denselben Segelanstellwinkel hat. Wenn wir nun bei diesem Spinnaker das (linke) Schothorn anheben würden, können wir uns leicht vorstellen, dass das Vorliek auf halber Höhe des Spis durch den Wind nach vorn wandert und dass sich damit gleichzeitig der Segelanstellwinkel verändert, so, wie in diesen beiden Fotos hier links und rechts..

Im unteren und oberen Teil des Spis zeigt das Vorliek weiter nach achtern (der Windanstellwinkel ist also offener) als in mittlerer Höhe des Spis (rote Pfeile).

Bei den roten Pfeilen ist der Windanstellwinkel folglich viel zu dicht. Die Leeströmung des Windes reißt von Anfang an ab.

Der Hals des Spinnakers (also der Spibaum und der Topnant) muss tiefer geholt werden, damit bei den roten Pfeilen das Vorliek ebenso offen ist, wie oben und unten.

Sehr gut bei dem Spi links und wohl auch bei dem gelben Spi hier unten:

 

Im Prinzip gibt es auch das Gegenteil. Wird der Hals (der Spibaum, der Topnant) zu tief geholt, dann fällt der mittlere Teil des Vorlieks zu früh ein. Bei dem folgenden Foto scheint mir das der Fall zu sein. Das obere Drittel des Spis wird zu sehr in die (vertikale) Länge gezogen und rollt sich regelrecht ein.

Tipp: Bei Flaute kann man so (Baum tief) das Vorliek, das senkrecht am Mast runter hängen würde, zur Seite weg spannen, um auch noch den letzten Windhauch einzufangen.

Komplizierter ist es bei den drei folgenden Spis (rechts und unten), wo nur der obere Teil des Spis zu früh einfällt. Hier müsste mit einem Barberholer  der Zug der Leeschot mehr nach unten gelenkt werden. Das nimmt den Spi oben dichter, ohne dass der Spi unten dichter wird. Auch das Anheben des Halses (Baumes) könnte hier Linderung bringen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mein alter Freund und Schotte René Lamb an der Pinne seines Schiffs
Er hat sogar den Barberholer dafür! Hier ist klar, dass die Leeströmung in der unteren Hälfte des Spis schon beim Vorliek abreißt. (Die Falten sind unbedeutend.)

Sonst noch was?!

Man hört und liest immer wieder die Trimmregel, dass beide Schothörner möglichst auf gleicher Höhe gefahren werden sollten (z. B. http://www.christoph-moder.de/hobbies/segeln/segeltrimm.html#spinnaker).

Vergessen Sie’s! Diese Regel entbehrt jeglicher aerodynamischen Grundlage. Dem Wind ist es völlig egal, ob das Schothorn links genauso hoch oder tief steht wie das rechte. Für einen optimal eingestellten Motor ist es das Wichtigste, dass entlang möglichst des ganzen Vorlieks der Windanstellwinkel stimmt. Alles andere ist unwichtig oder können wir gar nicht beeinflussen.

Auch die Regeln, welchen Abstand das Unterliek zum Vorstag haben soll (z. B. http://www.christoph-moder.de/hobbies/segeln/segeltrimm.html#spinnaker), haben keine physikalische Begründung und sind allenfalls zufällig richtig. Verschwenden Sie damit nicht Ihre Konzentration!

Geigen vor dem Wind bei Starkwind

Siehe zunächst: Das Groß - vorm Wind.

Das Geigen kann sich durch den Spi dadurch verstärken, dass er von rechts nach links und wieder zurück pendelt und so mal zur einen und mal zur anderen Seite zieht. Dem kann man abhelfen, indem man beide Spischoten etwas dichter fährt, den Spi also näher ans Boot holt.

Motortuning bei halbem Wind

Im Prinzip gilt hier dasselbe wie raumschots und vorm Wind.

Wahrscheinlich steht der Spibaum jetzt ganz nach vorne. Ob wir ihn am Vorstag (Vorsegel) anschlagen lassen, ist keine Frage des Motortunings, sondern eine Frage, ob wir unser Material ruinieren wollen.

Haben wir es mit starkem und böigem Wind zu tun, muss der Vorschoter noch mehr als bisher darauf achten, dass er die Leeschot so offen wie möglich fährt (IMMER SÄGEN!!!). Denn jeder Zentimeter zu dicht lenkt den Winddruck unnötig zur Seite - statt nach vorn -, lässt uns zusätzlich krängen und vermindert den Antrieb nach vorn. Dies scheinen die zwei Teams hier im Vaurien und 470er nicht zu wissen (reine Spekulation).

Möglicherweise hilft es, wenn wir die Leeschot über dem Großbaum führen. Der Spi kann sich dadurch in mittlerer Höhe flacher legen, so wie oben bei den Fotos mit den roten Pfeilen.


Groß-Baumniederholer öffnen macht schneller!
 
Spinnaker
 

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